Vier Länder an einem Tag

Wie schon in den ganzen letzten Tagen konnte ich auch heute nicht vernünftig schlafen. Um 04.30 Uhr war die Nacht vorbei. Wieder mache ich das Beste draus und stehe auf.

In der Dunkelheit gehe ich noch einmal zum Wasser und verabschiede mich von „meinem“ Strand. Wehmütig verlasse ich diesen Ort, der ganz überraschend so viele schöne Erinnerungen geweckt hat. Es fällt mir schwer, weiterzufahren, so heimisch fühle ich mich hier.

Schon naht die nächste Grenze, und die Sonne geht über den Alpen auf. Ich glaube, man weiß recht wenig über Slowenien in Deutschland. Ich versuche mich zu erinnern. Die Hauptstadt Ljubljana kriege ich noch auf die Reihe, aber schon bei anderen Städten oder dem Namen der Währung gerate ich ins Stocken.

Der erste Eindruck ist dann ein sehr positiver. Die Autobahn ist neu (auch hier gibt es eine Maut), alles ist gepflegt, und ich bin endlich wieder in den Bergen. Die erreiche ich ganz plötzlich, direkt hinter der Grenze. Leider werde ich heute keine Zeit haben -wie so oft auf dieser Reise-, dieses Land näher zu erkunden. Durch Slowenien und auch den winzigen Teil Kroatiens fahre ich nur durch, schaue mich nicht um. Denn es ist der schnellste Weg von Italien nach Ungarn, meinem heutigen Etappenziel.

Die Landschaft ist malerisch. Im Dunst der aufgehenden Sonne führt die Autobahn über hügelige Wiesen, auf denen vereinzelt große Bäume stehen und Kühe weiden. Es geht vorbei an kleinen Dörfern mit Kirchtürmen. Obstgärten und Geranien an den Holzbalkonen zieren das Bild.

Ein Vogelbeerbaum leuchtet einsam auf einer Wiese.

Das ist so gar nicht das Osteuropa, das ich kenne. Ganz im Gegenteil, man könnte meinen, man wäre in der Schweiz oder in Österreich. Auch was das Preisniveau angeht, ist man hier schon im Westen angekommen. Kraftstoff ist so teuer wie daheim, und der Cappuccino an der Tankstelle kostet 2€. Selbst die Maut ist höher als in Italien. Für die letzten 60 Kilometer musste ich 3,70€ bezahlen.Wildrich Weltreise unterwegs

Die mir so vertrauten Plattenbauten sehe ich nicht. Dafür um so mehr Einfamilienhäuser, darunter viele Neubauten.

Etwa 20 km hinter Ljubljana, auf dem Weg nach Maribor, hört die Autobahn auf. Nun geht es auf einer Landstraße weiter, was den Vorteil hat, dass man durch die Dörfer fährt und alles betrachten kann. Allerdings verlangsamen die LKW-Kolonnen das eigene Vorankommen erheblich.

Bauernhöfe aus Holz stehen am Straßenrand. Alles scheint wie gemalt, eine Art Spielzeuglandschaft. Weinreben und tiefes Grün, dazu bunte Farbtupfer in Form frisch gewaschener Wäsche, die im Garten trocknet. Vereinzelt Tiere auf der Weide und ganz viele Tunnels.

Wolken drohen mit Regen, aber die Sonne scheint noch immer, als ich Slowenien in östlicher Richtung verlasse. Die süßen, kleinen Dörfer haben mir sehr gut gefallen. Aber ich bin froh, weiter nach Osten zu kommen, denn das schont hoffentlich meinen Geldbeutel. Billig ist dieses Land nicht.

An der kleinen Grenzstation war ich der Einzige um diese Zeit. Nur 30 km Kroatien habe ich heute auf dem Plan. Ich war noch nie hier, und so spanne ich die Augen auf um mitzunehmen, was ich kann. Ich muss sagen, ich erkenne keinen großen Unterschied zu den letzten 200 km in Slowenien.

Vielleicht ist es ein wenig einfacher. Die Straße ist nicht ganz so gut, die Häuser nicht ganz so neu, die Landschaft nicht ganz so hügelig, aber was spielt das schon für eine Rolle. Jedenfalls bin ich eine Stunde in Kroatien!

Ich fahre durch hohe Maisfelder, die mir den Blick nehmen. Die Ziegelhäuser in den kleinen Dörfern sind zum Großteil nicht verputzt. Bunte Blumenbeete schmücken die Vorgärten. Hier und da tragen Apfelbäume schon sichtbar rot ihre Frucht.

Schullotsen, die ich aus Deutschland nicht mehr kenne, erinnern daran, dass die Welt außerhalb der meinen weitergeht. Als ich losgefahren bin, hatten alle Kinder frei. So lange bin ich also schon unterwegs.

Auch hier fahren die Postboten gelbe Fahrräder. Überhaupt sieht alles viel vertrauter aus, als ich das von den anderen Ländern im Osten behaupten kann.

So schnell, wie ich eingereist bin, komme ich auch wieder heraus und lande in Ungarn. Dort steuere ich die nächste Tankstelle an und kaufe eine Straßenkarte. Der Tankwart ist schlecht gelaunt, würdigt mich keines Blickes. Schulkinder am Straßenrand werfen kleine Steine nach mir. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Mache ich was falsch?

Ich halte an, mache eine Pause und überlege. Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Haben alle hier einfach nur einen schlechten Tag? Ich beschließe, heute so weit wie möglich zu kommen. Ich möchte gerne nördlich von Budapest an der Donau übernachten.

In einem Restaurant an der Straße nehme ich mein erstes Gulasch zu mir. Sehr pikant gewürzt und lecker.Wildrich Weltreise unterwegs

Negativ aufgefallen, beziehungsweise erschreckend, empfinde ich, dass niemand Englisch oder Deutsch zu sprechen scheint. Auf der Suche nach einem Internetcafe habe ich fünf Mal gehalten, um zu fragen, aber keiner wusste mir zu helfen. Nicht mal Schulkinder oder Jugendliche scheinen mich hier zu verstehen und das, immerhin 13 Jahre nach dem Fall des eisernen Vorhangs. Ich frage mich ob, Fremdsprachen überhaupt gelehrt werden?

Die hübsche ländliche Umgebung durchzieht das ganze Land bis an die Donau. Nach 14 Stunden Fahrt reicht es mir für heute und ich suche mir ein Hotelzimmer. Wie so oft in den letzten Jahren schon handele ich den Preis aus. Ursprünglich wollte man 8000 Forint (etwa 33€), aber nach einigem Hin und Her zahle ich nur 6000.

So verbringe ich auch die vorletzte Nacht meiner Reise nicht im Zelt. Der Grund dafür heute ist der, dass ich nun wieder im Hochwassergebiet bin. Dementsprechend viele Mücken und anderes Ungeziefer flattern umher. Außerdem ist der Boden aufgeweicht, also keine idealen Bedingungen. Ich bin halt doch ein Schönwettercamper.

Das Städtchen, in dem ich heute Abend bin, heißt Visegrad. Sicherlich ist es schöner hier, wenn kein Hochwasser ist. Aber so wimmelt es überall von Schlamm und Matsch. Ohnehin bin ich von meiner Fahrt so geschafft, dass ich beschließe, zwei Bier zu trinken und mir dann den Luxus des Fernsehers auf meinem Zimmer zu gönnen. Ich werde deutsche Nachrichten sehen. Das erste Mal seit 17 Tagen.

Trotz der Katastrophe gefällt mir dieses kleine Städtchen auf Anhieb. Es ist nicht nur niedlich, sondern auch die Menschen sind freundlich. Wieder einmal wurde mir bestätigt, dass der erste Eindruck nicht immer der richtige ist. Wie ja so oft behauptet wird.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, zwei oder drei Tage zu bleiben, aber die Zeit drängt nun wirklich. Übermorgen muss ich wieder arbeiten, der Ernst des Lebens naht.

 

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