Auf engen Bergstraßen nach Melnik

Schon wieder habe ich gestern mit dem Rotwein über die Stränge geschlagen. Der Kellner in der Mehana -den ich ja schon am Abend zuvor kennengelernt hatte- meinte es gut mit mir und brachte unaufgefordert einen Flasche von seinem Melniker Merlot. Das Essen war natürlich wieder vorzüglich. Ein Hirtenspieß, Salat und die schon bekannten mit Käse überbackenen Kartoffeln.

Nachdem ich jetzt während des Frühstücks die Karten studiere und auch den Reiseführer zu Rat ziehe, beschließe ich, bis nach Melnik zu fahren. Der von dort stammende Wein macht mich neugierig. Es ist die kleinste Stadt Bulgariens. Früher war die Gegend mal sehr bedeutend. Eingebettet in einer engen Schlucht, wird sie als „sehr romantisch“ beschrieben.Wildrich Weltreise unterwegs in Bulgarien

Ich packe meine Sachen und verabschiede mich von den freundlichen Hotelmitarbeitern. Ein letzter Blick auf die Stadt, dann verschwinde ich hinter einer Kurve.

Bansko war wirklich eine Reise wert. Ich will wieder hierher kommen, vielleicht schon in ein paar Monaten. Selten habe ich einen so angenehm ruhigen Ort kennengelernt. Im nachhinein fällt mir auf, dass es hier auch viele junge Menschen gibt. Das ist ja keineswegs normal in diesen Zeiten, wo man sein Glück oft in der großen Stadt sucht. Wie gesagt, die Menschen hier haben Wurzeln. Das spürt man förmlich.

Meine Fahrt geht entlang einer kleinen Straße quer durch die Berge. Für die veranschlagten 150 km brauche ich fünf Stunden.

Heute ist es zunächst wieder neblig trüb. Die Berge sind wolkenverhangen, alles macht einen gemütlichen, verschlafenen Eindruck. Rechts und links wird Tabak angebaut. Bauern stehen im Regen auf ihren Feldern und ernten.

Die Straße schlängelt sich langsam in die Berge hinauf und wird immer schmaler. Das Pirin Gebirge ist nicht felsig, ich sehe viel Laubwald. Die höchsten Gipfel liegen verborgen in den Wolken. Außerhalb der kleinen Ortschaften treffe ich noch auf viele Eselskarren. Auch hier leben also Menschen.

Die Straße wird immer schlechter und es gibt keinen Gegenverkehr. Ob ich mich verfahren habe? Leider gibt es keine Schilder und auch keine Menschen, die ich fragen könnte. Die letzten 50 km konnte ich nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Ich frage mich, ob es die Esel hier leichter haben als ich? Zwar als Hauptverkehrswege in meiner Karte eingezeichnet, weiß ich teilweise nicht mehr, ob ich rechts oder links um die Schlaglöcher herumfahren soll. Eigentlich besteht die ganze Straße nur noch aus einer Ansammlung von Löchern, und wenn man mal fünf Meter Asphalt hat, freut man sich.

Die Distanzen zwischen den Dörfern wachsen. Vereinzelt stehen Birken am Straßenrand, deren Laub sich schon gelb färbt. Der Herbst naht. Dann wieder ein Zeichen, dass Menschen in der Nähe sein müssen. Weinreben so weit das Auge sehen kann. Ich überhole einen Eselskarren, auf dem Kinder in bunten Pullovern mit strubbeligen Haaren sitzen. Sie winken mir zu und rufen herüber. Ich kurbele das Fenster herunter, und ein Junge spricht sogar Englisch. „Ja, Melnik liegt da hinten“ und er zeigt auf die Straße.

Ganz plötzlich, ohne Warnung, sehe ich dann das Hinweisschild „Melnik 500 Meter“. Die Straße wird wieder besser, und ich sehe auch schon die ersten Häuser vor mir. Hier wohnten einmal über 17.000 Menschen, heute aber sind es nur noch 245. Die Reihe der bewohnten Häuser zieht sich spiralförmig eine Schlucht hoch.

Wieder einmal habe ich Glück. An der nächstbesten Mehana halte ich an und frage nach einem Zimmer. Leider ist keines mehr frei. Die Kellner beraten sich und meinen dann, die Schwester könne mich sicherlich noch bei sich unterbringen. Es wird telefoniert und keine drei Minuten später kommt sie an meinen Tisch, spricht englisch und bringt mich zu meinem Quartier. 10 Lev (5€) will sie für das Zimmer mit Bad haben. Drei Betten, ich habe also die Wahl.Wildrich Weltreise ist sie nicht hübsch?

In diesem uralten Bauernhaus liege ich nun im Bett. Ich sehe weiß getünchte Wände, die Decke aus dunklem Holz und eine schwere Tür, die knarrt, wenn man sie bewegt. Auf dem Dielenfußboden liegt ein bunter Teppichläufer. Ein weißes Laken hängt vor dem geöffneten Fenster und flattert leicht im Wind. Draußen gackern die Hühner, ich bin müde und schlafe ein Stündchen.

Schon wieder weckt mich ein kläffender Hund! Man gönnt mir aber auch nichts. Oder soll ich die Zeit lieber nutzen? Gibt es etwas zu entdecken? Ich ziehe mich an und mache mich auf den Weg ins Zentrum.

Auch hier gibt es viele Mehanas. Holzbänke sind unter den Vordächern aus Weinlaub aufgestellt. Auf diesen liegen rote Wolldecken und Gäste genießen Wein, Sonne und Speisen. Wieder vernehme ich keine deutschen oder englischen Stimmen.

Vor den zahlreichen Lokalen wird Wein aus eigener Herstellung angeboten. Melnikwein war noch vor 100 Jahren ein berühmtes Exportprodukt. Sicherlich kann es das auch in Zukunft wieder werden. Ich jedenfalls werde Stammkunde, das ist sicher.

Nach einem kleinen Eis mit Obst beschließe ich, wandern zu gehen. Ich werde versuchen, das „Rosenkloster“ zu erreichen, welches ca. fünf Kilometer entfernt in den Bergen liegt. Jetzt, nach etwa zwei Stunden, kann ich es schon sehen.

Zunächst verlasse ich Melnik in nördlicher Richtung, auf einem Fußweg, der entlang eines ausgetrockneten Flussbettes liegt. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass es hier eine Katastrophe gegeben hat. Überall sehe ich Sand und Kieselsteine, Häuser in der Nähe wurden verlassen. So weit ich es erkenne, besteht das Gebirge um mich aus Sandstein, der sich bei Regenfällen oder Schneeschmelze sicherlich in Schlammlawine verwandeln kann.

Ich wandere durch einen Tannenwald, in dem es erstaunlich ruhig ist. Keine Vögel oder Menschen sind zu hören. Nur ein leichter Wind rauscht durch die Bäume.Wildrich Weltreise manche Straßen sind wirklich in einem sehr schlechten Zustand

Schneller, als ich gedacht hatte, erreiche ich das Kloster. Ein wunderschöner Holzbau, mit niedlichen Erkern und Balkonen. Leider ist er verschlossen, und auch auf mein klopfen an der Pforte wird nicht geöffnet. Wie aus einem Märchen sieht das alles aus. Zu schade, dass ich nicht mehr Zeit habe. Es wird sicherlich bald dunkel, und ich muss schleunigst wieder zurück in die Stadt.

Hier in den Bergen dämmert es schneller, als ich es erwartet habe. Zu allem Übel setzt nun auch noch Regen ein. Ich stolpere die letzten Kilometer durch das Flussbett den entfernten Lichtern entgegen und bin froh, als ich es geschafft habe.

Als ich schließlich unter der Dusche stehe, kann ich gar nicht genug von dem heißen Wasser bekommen, so gut tut es.

Mein letzter Abend in einer bulgarischen Mehana. Ich esse einen Kawarma (in einem Tontopf gegartes Fleisch mit Gemüse und Rotwein). Auch eine letzte Flasche bulgarischen Weines gibt es. Ich bin ein wenig betrübt, denn morgen geht es nun wirklich wieder nach Hause.

 

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