Stress mit dem Ukrainischen Zoll

Das Ruha Hotel versprüht einen ganz eigenen Charme. Hier ist die Zeit stehengeblieben. Eine Etagendame, ein Relikt des Kommunismus, sorgt für Zucht und Ordnung.

Allerdings kann das ein Pärchen im Nebenzimmer nicht davon abhalten, sehr... laut zu sein. Ukrainer sind ausdauernde Liebhaber! Erst gegen 04.00 Uhr morgens lässt man mir meine Ruhe, die allerdings danach noch des öfteren unterbrochen wird...

Ich mache mich im Nebel und 15° auf den Weg aus der Stadt. Ich weiß nicht, wo ich heute landen werde und mache es abhängig davon, wie weit mein ukrainisches Geld noch reicht.

Das Land ist weit. Es gibt so gut wie keinen Verkehr, und die Straße nach Chernivci ist in einem akzeptablen Zustand. Wiesen und brachliegende Felder rechts und links bis an den Horizont. Nur vereinzelt sieht man Menschen oder gar Dörfer.

An einer Bushaltestelle winken mir zwei Frauen zu, ich solle anhalten. Sie möchten gerne mitfahren, lachen dann, als sie bemerken, dass ich in meinem Wagen nur einen freien Platz hat.

Ein Hirte grüßt vom Wegesrand. Wo er wohl her kommt? Meine Karte zeigt keine Dörfer in der Umgebung.Wildrich Weltreise schnelle Autos fordern ihren Tribut! Strafen kann man aber aushandeln

Das Land ist nicht besonders abwechselungsreich. Die Straße ist leicht hügelig, aber ohne Kurven. Ich freue mich auf die Bilder im nächsten Dorf.

Hier hütet ein junges Mädchen mit einem Stock Gänse. Kühe stehen am Wegesrand, Pferdewagen sind mit Heu belanden, schaukeln auf der unebenen Strasse. Im Rückspiegel sehe ich, dass man mir nachschaut.

Kurz hinter Zaliscyky erwischt es mich dann. Ein Polizist gestikuliert mit seinem Stock anzuhalten. Ob ich denn das Stopschild nicht gesehen hätte? Nein, ich habe es tatsächlich nicht bemerkt. Als Strafe soll ich 68 Griwna zahlen. Er ist sehr freundlich, und wir lachen beide über die komische Situation.

Der Handel beginnt! Ich spreche mit den Händen „Es sei ja ein kleines Auto, also sei eine kleine Strafe angemessen“. Er lacht, denkt nach, schreibt auf einen Zettel „34". Ich druckse rum „die Reise sei noch lang, ich brauche das Geld“, und biete ihm 10. Er geht runter auf 20, ich hoch auf 15.

Schließlich einigen wir uns auf 20. Als Draufgabe bekomme ich noch ein Foto und mache mich wieder auf den Weg.

An den ungemütlichen Rastplätzen rechts und links entlang der Straße fallen mir die vielen LKW-Auffahrtbühnen auf. Bei näherer Betrachtung sehe ich, dass es von Altöl und gebrauchten Filtern wimmelt. Langsam sickert der Schlamm in das Erdreich, verseucht dort das Grundwasser.

In etwa einer halben Stunde werde ich die Stadt Cernivci erreichen, tanken und dann weiter über die Grenze nach Rumänien fahren. Ich habe zwar noch ukrainisches Geld, aber das will ich im Duty-Free ausgeben.

Wie war das doch noch gleich? Erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt? Richtig, ich habe das ukrainische Geld doch noch gebraucht.

Der ukrainische Zoll an dieser Grenzstation ist korrupt, unfreundlich und serviceunwillig. Ich war der einzige „Kunde" an diesem Übergang. Trotzdem brauchte man ca. zwei Stunden und 20€ an „Geschenken", um mich abzufertigen. Es war gar nicht so leicht, sich im Zaum zu halten. Aber was will man machen? Ich denke wieder an das Gespräch mit Nadja von gestern. Ihre Aussagen über die Staatsgewalt und die Korruption, und das gerade Erlebte lassen mich innerlich zittern. Gerne würde ich meine Meinung sagen, auf freie Passage bestehen, aber wohin soll das führen? Der nächste Grenzübergang ist viele hundert Kilometer entfernt, und wer garantiert mir, dass ich da mehr Glück habe?

Ein starker Kontrast. Die Hilfsbereitschaft der ukrainischen Bevölkerung sucht ihresgleichen, ist unschlagbar. Die Städte bieten eine Menge. Teilweise wunderschöne Architektur, grüne Parks, auch kulinarisch und kulturell gibt es ein gutes Angebot.

Ein Wort zu den Kosten. Alles, wofür man den ortsüblichen Preis zahlen kann, ist für unsere Verhältnisse sehr billig, für Einheimische jedoch fast unerschwinglich.

Familien halten zusammen, wie überall, wenn in Not.

Die Landschaft der letzten 700 km bietet nicht viel Abwechslung. In jedem Fall wert ist aber eine Reise nach Lvov.

Auf rumänischer Seite ist dann alles ganz anders. Angenehm anders! Der Ärger ist schnell wieder vergessen. Ich werde mit einem Gratislächeln begrüßt.

Auch hier arbeitet man nicht gerade schnell, ist aber hilfsbereit und spricht Englisch. Ob ich denn wirklich aus Deutschland gekommen sei... mit dem kleinen Auto? Wo ich denn hin will? Urlaub in Rumänien? Wie schön! Man freut sich über meinen Besuch. Ich solle doch bitte daheim Werbung machen, „man brauche die Gäste“. Es gibt auch noch Ratschläge für die nächsten Tage.

Nein, bis Bukarest solle ich heute nicht mehr fahren, das sei zu weit. Die Straße sei zwar gut, aber der Abend naht, es wird dunkel... Pferdefuhrwerke... sie haben recht, ich sehe es ein. So bin ich gespannt, welcher „Zufall" mir heute ein Bett bescheren wird. Ich kann ja noch nicht ahnen, was des Nachts passieren soll.

Nach wiederum zwei Stunden habe ich auch diese Grenze geschafft.

Kaum unterwegs, weht mir der Wind um die Nase, die Straße ist sehr gut ausgebaut. Schilder mit der Flagge der Europäischen Union stehen entlang des Weges, Zeugen, woher das Geld für den Bau kommt.Wildrich Weltreise je weiter im Osten ich bin, ja mehr Pferdefuhrwerke sehe ich auf den Straßen. Speziell in Rumänien waren sie sehr zahlreich

In einem Cafe halte ich. „Buna" (Hallo), strahlt man mir entgegen. Alles ist in bester Ordnung. Ich verfluche noch einmal den ukrainischen Zoll, will versuchen, den restlichen Tag  nur noch positiv zu gestalten.

Hier bin ich in Südeuropa, keine Frage. Die Häuser sind beige, mit Fensterläden und schmiedeeisernen Balkongittern. Blumenbeete stehen in den Vorgärten der Dorfhäuser.

Wieder so ein starker Kontrast. Ich muss an die deutschen Fernsehdokumentationen denken, die vielen Bilder der verwahrlosten Waisenkinder, hungernden Menschen, der blutigen Diktatur. Nichts erinnert daran. Niedlich sieht es aus. Die Pferdefuhrwerke sind noch zahlreicher als in den letzten Tagen.

Seit meinem Besuch vor ca. sieben Jahren hat sich einiges getan. So ist der Zustand der Fernstraßen exzellent, vergleichbar mit einer deutschen Bundesstraße. Ich passe mich der Geschwindigkeit an, fahre 140 km/h, fliege über das Land.

Wie schnell sich doch meine Laune ändern kann. Es geht mir gut. Ich habe Appetit, genieße Fleetwood Mac „...like a Gypsi...“ . Zahlreiche Pferdefuhrwerke säumen die Landschaft. Aus den Dörfern entlang der Straße ragen Kirchtürme in den blauen Himmel. Ich durchquere ein Weinanbaugebiet, zu meiner Rechten sehe ich Berge in der Ferne.

Nach 240 km zwingt mich die hereinbrechende Dunkelheit anzuhalten. Ich bin in der Stadt Focsani gelandet. An einer Tankstelle decke ich mich mit Proviant ein und frage nach einem Zimmer.

Ja, es gäbe eine Pension ganz in der Nähe. Preiswert sei sie, aber nichts Besonderes und gar nicht weit. Ich mache mich auf den Weg, und finde das Haus. Für ein paar Euro bekomme ich ein einfaches Zimmer für die Nacht. Das Bad muss ich mir mit der Familie des Besitzers teilen.

Wenig später sitze ich im Restaurant „Wassermann“, bestelle eine Pizza und Salat. Das rumänische Bier schmeckt gut. Der junge Kellner, mit auffallend roten Wangen, gibt sich besondere Mühe, ist sehr aufmerksam. Ich bin sicher, er kann Englisch sprechen, traut sich aber offensichtlich nicht.

Wie ich so auf der Terrasse des Lokals sitze und den Menschen nachsehe, denke ich über das bisher Erlebte nach. Es gibt auffallende Unterschiede zwischen den drei Ländern, die ich bisher besucht habe.

Da sind zunächst die Landschaften. Die Alleen Polens, die weiten Wiesen der Ukraine und die langgezogenen Straßendörfer Rumäniens. Auch das Aussehen der Menschen unterscheidet sich.

Das Essen kommt! Köstlich, ich habe großen Hunger. Keine 4€ bezahle ich inklusive der drei großen Bier.

Am späten Abend spaziere ich durch die lebendige Stadt. Jugendliche stehen in Gruppen vor Cafes und an Straßenecken. Jungs und Mädchen sind modisch gekleidet, die Stimmung erinnert an Italien. Sogar eine „Piazza“ gibt es. Man trifft sich, will sehen und gesehen werden. Südeuropa, keine Frage.

Es geht mir gut, vielleicht zu gut. Ich werde übermütig und merke es nicht. Die Gefahr wird mich überrumpeln.

Müde komme ich in meinem Zimmer an, öffne die Fenster und gehe zu Bett.

 

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