Nach Bulgarien

Erst um 08.00 Uhr stehe ich auf, dusche und gehe frühstücken. Zwei Stunden später fahre ich los und gerate sofort in die Bukarester Rush-Hour. Erst nach einer Stunde lasse ich die Stadt hinter mir.

Weiter geht es auf der altbekannten E85 Richtung Süden zur bulgarischen Grenze, die ich nach ca. 70 km erreiche.Wildrich Weltreise Veliko Tarnovo

Hier dann eine äußerst angenehme Überraschung. Ich brauche keine 10 Minuten, um nach Bulgarien einzureisen. Die Zollformalitäten auf rumänischer Seite haben noch ein wenig länger gedauert, denn man interessierte sich wieder mal für meinen SMART und wollte probesitzen.

Bei Ruse führt eine Brücke über die Donau, die auch gleichzeitig Landesgrenze ist. Es herrscht so gut wie kein Verkehr, ich fahre Schritttempo und kann über die Brüstung der Brücke das bulgarische Ufer betrachten. Die hässlichsten Plattenbauten auf der gesamten Reise, Fabrikanlagen rechts und links sehe ich.

Die bulgarischen Zöllner sind sehr freundlich, sprechen Englisch und Deutsch und vergessen auch nicht, mich darauf hinzuweisen, dass ich für jede Übernachtung eine Quittung brauche, die ich bei der Ausreise vorlegen muss.

Auch an dieser Grenze muss ich wieder einiges an Gebühren berappen. So zum Beispiel: noch einmal eine rumänische Ökologiesteuer von 9€. Die Brückenmaut von 7€ bleibt mir erspart, da die Kassiererin gerade auf dem stillen Örtchen ist. So werde ich einfach durchgewunken.Wildrich Weltreise Veliko tarnovo

Auf Bulgarischer Seite dann wieder eine Ökologiesteuer von 8€ und eine Desinfektionsgebühr von 2€. Das mit dem Desinfizieren sieht dann so aus, dass man durch ein ca. 10 cm tiefes Becken fährt, in dem -angeblich- eine keimtötende Substanz sein soll.

Kurz hinter der Grenze halte ich an einer Tankstelle und plane den restlichen Tag. Ich wurde gewarnt, „die bulgarischen Straßen seien in einem sehr schlechten Zustand!“ Nun aber bin ich immer noch unterwegs auf der E85, und auch auf bulgarischer Seite ist sie in einem recht passablen Zustand. Ich fahre im Schnitt 80 km/h. Wenn das so weiter geht, werde ich in ca. zwei Stunden in Veliko Tarnovo sein. Dort will ich Geld tauschen und ein Quartier suchen.

Aus meinem Reiseführer geht hervor. dass die Stadt eine der schönsten Bulgariens sein soll, da der alte Stadtkern komplett erhalten sei.

Nur alle paar Minuten kommt mir ein Wagen oder LKW entgegen und erinnert daran, dass dies eine wichtige Transitroute Osteuropas ist. Überhaupt sehe ich wenig Menschen. Waren in Rumänien die Pferdewagen und Bauern allgegenwärtig, so sehe ich hier für viele Kilometer am Stück niemanden.

Ich erfreue mich daran, dass das Land wieder hügeliger wird. Hinter jeder Steigung wartet eine Überraschung. Die Straße ist rechts und links durch Pappeln und Obstbäume von den Feldern getrennt. Alles ist hier in einem kräftigem Grün getüncht. Am Straßenrand wachsen blaue Blumen, und ein Esel grast hinter einem Busch.

Dann sehe ich meinen ersten Eselskarren. Ich bin überrascht, wie viel die relativ kleinen Tiere ziehen.

In den Dörfern und Städten sehe ich vereinzelt Hunde mit Knopf im Ohr. Sie tragen einen Plastikknopf an Stelle einer Steuermarke. Quasi lebendige Steifftiere.

Die Stadt Veliko Tarnovo empfängt mich im strahlenden Sonnenschein. Hier gefällt es mir auf Anhieb. Freundliche Menschen (viele Jugendliche) wohin ich gehe. Alle haben ein Lächeln auf den Lippen. Ich stelle das Auto auf einem bewachten Parkplatz ab und gehe durch die engen Gassen. In einem Cafe schreibe ich Ansichtskarten und schaue den Passanten hinterher.

Eine freundlich Bedienung im Fremdenverkehrsamt telefoniert für mich und besorgt ein privates Zimmer. Für 15 Lev (7,50€) die Nacht lässt „Bobby“ mich in seinem Appartement wohnen und das Auto in der Garage unterstellen. Er ist Ingenieur, arbeitslos, spricht fließend Englisch und verdient sich durch Gäste wie mich ein Zubrot.

Es gibt eine Waschmaschine in der Küche, und da sich mein Vorrat an frischer Wäsche dem Ende neigt, lege ich heute einen Waschtag ein. Auf der Terrasse liegend warte ich zwischen den Waschgängen und schaue in den Innenhof der Anlage, wo Kinder Fußball spielen. Die Mädchen sitzen am Rand, kichern und beobachten das Spiel.

Gegen 17.00 Uhr spaziere ich entlang der Schaufensterauslagen in die Stadt. Um mich herum Menschen mit angenehmen Gesichtszügen. Ich sehe Frauen mit langen schwarzen Haaren Hand in Hand mit ihren Ehemännern. Kinderwagen werden von einem Geschäft zum nächsten geschoben.

Das Preisniveau ist auf einem ähnlichen Stand wie in Rumänien. So kostet in einem Cafe der Espresso ca. 0,20€.Wildrich Weltreise Veliko Tarnovo

Weiter geht es durch die malerischen alten Viertel. Über Treppen zwischen den Holzhäusern gelangt man von einer Straße zur nächsten. In den Gärten der Hinterhöfe wachsen bunte Blumen, und Wein rankt über Terrassen und an den Häuserwänden. Hühner gackern aufgeregt umher und Katzen sonnen sich auf den Brennholzstapeln vor den Häusern.

Veliko Tarnovo war die Hauptstadt des ersten bulgarischen Reiches. Außerdem ist sie kulturelles Zentrum des Landes sowie Sitz der orthodoxen Kirche. Man spürt förmlich die Geschichte der Stadt. Die Einheimischen sind verwurzelt, leben seit Generationen hier in den Bergen. Alles macht einen sehr starken, festen Eindruck. Ich frage mich, ob das während der kommunistischen Zeit auch so war oder ob sich das erst in den letzten Jahren wieder entwickelt hat.

Die niedlichen, kleinen Häuser kleben förmlich an den steilen Hügeln. Ab und an ein Tupfer Grün, terracottafarbene Dächer, Schiefer und beige Ziegel. Schwere Weintrauben hängen von den Balkonen herab. Ein süßlicher Duft durchzieht die Viertel. Verwinkelte Gassen und wenig Verkehr, Katzen und Hunde tapsen ganz gemächlich über die Fahrbahn, gehen sich aus dem Weg. 

Ich genieße die Ruhe. Vögel zwitschern in den Bäumen, deren Blätter sich sanft im Wind bewegen. Ich fühle mich unglaublich wohl hier in den Bergen.

Gestern in Rumänien hatte ich so ein unterschwelliges Gefühl, dass alles sehr zerbrechlich ist. Die Menschen vielleicht nicht so ganz gesund seien, es dem Land nicht so  gut geht, wie es scheint. Dass alles auch eine Fassade sein könnte, die schnell bröckeln kann.

Hier in dieser Bergstadt fehlt dieser Eindruck völlig. Alles scheint sehr stark. Die Häuser, wie sie sich an den Bergen festkrallen, die steilen Gassen, die schon so viele Eselskarren gesehen haben. Brennholz für den Winter ist vor den Häusern gestapelt, man sorgt vor. Die Bewohner der Stadt, die wahrscheinlich schon seit vielen Generationen hier wohnen, haben nicht nur den Kommunismus überlebt, sondern auch so manches andere Schicksal geteilt.

Zwei Jungs verfolgen mich. Sie spielen Indianer, verstecken sich in Torbögen, wenn ich mich nach ihnen umdrehe. In einem Hof schart eine Bäuerin laut miauende Katzen um sich und füttert sie mit frischer Milch. Sie schaut schnell weg, als sich unsere Blicke treffen.

Ich bin froh, heute nicht noch weiter gefahren zu sein. Heute kann ich ausspannen und den Tag bei einem guten Essen und einer Flasche Rotwein beschließen. Es war übrigens der Wein, der mich nach Bulgarien geführt hat. Erst vor wenigen Jahren habe ich angefangen Rotwein zu trinken und auch zu mögen. Speziell die bulgarischen Weine finde ich sehr ansprechend. Zum einen, weil sie recht preiswert sind, zum anderen entsprechen sie meinem Geschmack.

Auch hier komme ich mit meinen englischen Sprachkenntnissen sehr weit. Auf meine Begrüßung in der Landessprache „dobar den“ folgt ein „do you speak English?“. Fast immer bekomme ich die Antwort „no!“. Wenn ich dann aber noch mal frage, ob man nicht vielleicht ein kleines bisschen Englisch spricht, überlegt man es sich anders und versucht, mir zu helfen. Irgendwie klappt es immer. Nur selten kommt es zu Missverständnissen.Wildrich Weltreise Veliko Tarnovo

Ein guter Stadtplan ist wichtig. Trotzdem verlaufe ich mich, muss oft nach dem Weg fragen. Die kyrillische Schrift bereitet mir Probleme. Übrigens, diese Schrift (oft fälschlich als russische Schrift bezeichnet) ist eine bulgarische Erfindung.

In allen bisher durchreisten Ländern sehe ich Schrifttafeln, die mit dem Logo der Europäischen Union geschmückt sind. Unser Steuergeld arbeitet auch hier. So wird zum Beispiel die Sanierung der Altstadt Veliko Tarnovos zum Teil durch die EU finanziert.

Mehr und mehr entwickelt sich diese kleine Stadt zu einem Highlight meiner Reise. Es gefällt mir wirklich sehr gut, und ich kann mir vorstellen, mehrere Tage hier zu bleiben und die Gassen zu erkunden. Außerdem gibt es ja auch noch die Festungsanlage der bulgarischen Zaren, die anzusehen ich mir aus Zeitmangel allerdings schenken muss.

 

Es ist Zeit für eine Zwischenbilanz, auch ein Wort zu den Kosten. Der größte Einzelposten waren die Gebühren an den jeweiligen Grenzen. Inklusive des Visums kostete mich beispielsweise der Aufenthalt in der Ukraine 120€. Gemessen am Durchschnitteinkommen des Landes ist das sehr viel, bedenkt man doch, dass der Monatsverdienst 60€ beiträgt.

Ich bin jetzt seit neun Tagen unterwegs und habe 450€ ausgegeben. Ich finde das außerordentlich preiswert, wenn ich bedenke, dass damit alle Kosten gedeckt sind. Pauschalurlaub kann nicht viel billiger sein. Ich respektiere den Wunsch der Menschen nach zwei Wochen Strandurlaub, kann ihn für mich aber nicht nachvollziehen.Wildrich Weltreise Veliko Tarnovo zwei jungs spielen

Ich bin mit dem Erlebten sehr zufrieden. Frustrierend ist zuweilen allerdings dass ich mich nicht mitteilen kann und Kontakte zu Einheimischen nur sehr flüchtig möglich sind. Darüber bin ich ein wenig traurig. Die menschliche Seite kommt zu kurz. Da ich noch so viel von der Welt sehen möchte, weiß ich nicht, ob ich noch einmal an diese Orte zurückkehren kann. Meine Reisegeschwindigkeit ist zu hoch, das muss auf den nächsten Touren besser werden. Mir scheinen etwa zwei Wochen pro Land angemessen.

Voraussichtlich morgen in einer Woche werde ich wieder in Deutschland sein. Mir graut jetzt schon davor, ich bin wehmütig.

Nach einem ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt genieße ich auf der Terrasse eines Restaurants den Sonnenuntergang bei einem Bier und einer leichten Brise.

Immer wieder in den letzten Tagen fragt man mich nach meiner Herkunft und wohin die Reise geht. Man will mit mir ins Gespräch kommen. Gerne gebe ich Antwort, erhalte dadurch auch wertvolle Tipps und Einblicke. Leider ist es meist nicht möglich, die Gespräche zu vertiefen. Der Zeitmangel ist schuld.

Erst gegen 21.00 Uhr betrete ich die Terrasse einer „Mehana“, eines bulgarischen Spezialitätenrestaurants. Unter einem Dach aus Weinlaub sitze ich auf einer Holzbank umgeben von fröhlichen Menschen und einer Bedienung, die mir schöne Augen macht.

Es folgt ein ausgedehntes Mahl. Es gibt eine Flasche Merlot, Wasser und Pflaumenschnaps. Schopskasalat (Gurke, Tomate, Zwiebeln und Paprika werden gewürfelt und mit geraspeltem Schafskäse bestreut so dass man mit jedem Bissen auch Käse bekommt- und einer Olive), des weiteren mit Kräutern gefüllte, gebratene Paprikaschoten, Bratkartoffeln mit Knoblauch und Kebaptscheta (gegrillte Hackfleischröllchen). Es schmeckt vorzüglich! Ich zahle später weniger als 7€.

Ein junges Kätzchen gesellt sich zu mir auf die Bank. Es ist ganz schwarz und erst wenige Wochen alt. Was es nicht davon abhält, laut zu maunzen und betteln. Ausnahmsweise kann ich nicht wiederstehen, teile mit ihm das Fleisch.Wildrich Weltreise Veliko Tarnovo

Der erste Eindruck der bulgarischen Küche ist ein guter. Sie kommt der griechischen nahe. Fleisch wird gegrillt, es gibt viel frisches Gemüse und Schafskäse.

Erst einen Tag bin ich hier, und schon hat mich das Land gefangen genommen. Ich hatte so was schon geahnt, als ich mich entschieden hatte, diese Reise zu machen. Die Bücher, die ich vorher gelesen habe, und auch Gespräche mit einem Bekannten, schilderten die Landschaft, Menschen und auch die Kultur. Da habe ich Appetit bekommen.

Solche Ziele sind in unserer globalisierten Welt selten geworden. Wie ich so da sitze, freu' ich mich an dem Gedanken, das es keinen Mc Donalds in der Nähe gibt.

Nach einem doppelten Tresterschnaps mache ich mich endlich auf den Weg ins Bett. In beschwipstem Zustand ist der Weg zu Fuß den Berg hinauf eine Tortur. Der unebene Bürgersteig und die Treppen helfen nicht gerade.

 

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