Südstaaten

27.03.2002

Die Sonne strahlt durch den feuchten Wald, als gegen 7 Uhr der Generator verstummt. Jetzt will ich auch nicht mehr schlafen und stehe trotzig auf. Klaus ist schon unten am See, sagt, er habe ausgezeichnet geschlafen. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut er schläft. Er ist durch nichts zu stören, außer vielleicht durch die Güterzüge von Van HornWildrich Weltreise unterwegs in den Südstaaten.

Von nebenan kommt Amos herüber, um uns mitzuteilen, dass der Kaffee fertig sei. Dieser tut gut, und nachdem wir eine Tasse davon getrunken haben, beschließen wir, mit dem Boot der Familie einen Ausflug auf die andere Seite des Sees, nach Louisiana, zu machen.

Auf dem Wasser unterwegs erzählt uns Amos' Frau Debby, dass sie auch Deutsche sei. Als kleines Kind ist sie mit ihrer deutschen Mutter nach Texas gezogen. Seitdem hat sie ihre Verwandtschaft in Deutschland nicht wiedergesehen. Auch spreche sie kein Deutsch mehr, könne aber Vieles noch verstehen. Die amerikanische Staatsbürgerschaft hat sie nie angenommen und erst jetzt, als Folge des 11. Septembers, wird sie das nachholen.

Sie sagt, dass sich vorher nie jemand Gedanken darüber gemacht habe, dass sie keine Amerikanerin sei. Erst in letzter Zeit ist das zu einem Problem geworden. Nun muss sie Unterricht nehmen, um später einen Schwur auf die amerikanische Verfassung abzulegen und Bürger der USA zu werden. Wildrich Weltreise und noch ein Zeltplatz

Schon zu dieser frühen Stunden ist auf dem See viel los. In den zahllosen kleinen Buchten sitzen Angler in ihren Booten und genießen die Ruhe. An den Ufern stehen Fischreiher im flachen Wasser, picken nach Insekten und kleinen Fischen. Wir sehen Schildkröten im Uferdickicht und Amos sagt, es gebe hier auch kleine Krokodile.

Wieder zurück an Land werden wir mit Rührei, Speck und Kaffee versorgt. Man meint es gut mit uns und bevor wir abfahren, tauschen wir noch Adressen aus. Später, als wir gedacht hatten, fahren wir los.

Rob Avery hatte uns empfohlen, mehr Zeit in Louisiana und Alabama zu verbringen. Auf einer von ihm vorgeschlagenen Route erreichen wir die Grenzbrücke nach Louisiana gegen Mittag.

Unser erster Eindruck von diesem Südstaat ist sehr positiv. Die freundliche Frau am Visitor Center versorgt uns mit allerlei Prospektmaterial und Straßenkarten. Sie schlägt vor, dass wir -so wie Rob es empfohlen hatte - durch den Staat fahren.

Es ist schwül und heiß an diesem Tag.  Der schöne Pinienwald, durch den wir entlang des Sabine Lakes fahren, duftet. Eine große Baustelle hält uns auf. Neben einem frisch geteerten Straßenabschnitt fahren wir im staubigen Sand der Ausweichspur. So dicht ist der Staub, dass wir Probleme beim Atmen habenWildrich Weltreise Louisiana.

Louisiana zeichnet sich in erster Linie durch seine im Stil der Südstaaten erbauten Villen aus. In gepflegten Gartenanlagen mit dichtem Rasen und alten Weidenbäumen stehen sie da. Weiß gestrichen, mit amerikanischer Flagge im Garten und überdachten Terrassen. Sie sehen aus, als warten sie darauf, Kulisse in einem Film zu werden. Es gibt sie zu hunderten,  eine schöner als die nächste - allerdings stehen sie im starken Kontrast zu den vielen kleinen, ärmlichen Hütten, die es auch hier gibt.

Ein Großteil der Bevölkerung ist afrikanischer Herkunft. Ganze Dörfer und Städte haben rein schwarze Einwohner. Die Menschen sind noch freundlicher, als wir es bis jetzt erlebt haben. Hier werden wir ständig angesprochen, gegrüßt und höflich bedient. Das kleine Restaurant, in dem wir "Poorboys" essen, dient als Informationszentrale des Dorfes.

Poorboys sind eine Spezialität der Gegend. Es handelt sich dabei um ein Sandwich, das mit mariniertem Grillfleisch gefüllt ist. Es scheint mir, dass die gesamte Südstaatenküche sehr nahrhaft ist. Interessanter und abwechslungsreicher als anderswo. Es gibt reichlich Fisch und auch Gemüsesorten, wie zum Beispiel "Okra", die ich vorher noch nicht gesehen hatte.

Zu trinken gibt es meistens Eistee. Dieser mit Zitronensaft und Eiswürfeln angemachte Tee wird süß serviert. Man bekommt davon so viel man will. Zahlt nur einmal und kann sich danach von einem großen Krug selber bedienen und nachfüllen.

Die vielen kleinen Straßen von heute führen uns durch viele kleine Dörfer. Sofort fällt uns auf, dass es hier zahlreiche Kirchen gibt. Zeitweilig haben wir das Gefühl, dass es mehr Kirchen als Häuser sind. Es handelt sich dabei meistens um Baptistenkirchen. Die Menschen hier sind sehr gläubig, und auch in Louisiana und Alabama gibt es Gegenden, in denen kein Alkohol verkauft werden darf.Wildrich Weltreise

Vor den Gotteshäusern stehen große Informationstafeln, die die Gläubigen normalerweise darauf hinweisen, wann der nächste Gottesdienst stattfindet. Zur Zeit aber ist die Botschaft eine andere: Die Pfarrer werben für Patriotismus und Zusammenarbeit mit den Truppen. Nur vor einer offensichtlich katholischen Kirche ist die Botschaft eine andere. Der Papst hat den Krieg verurteilt!

Das Benzin ist hier noch preiswerter als in anderen Gegenden der USA. Überhaupt scheint uns, dass das Preisniveau recht niedrig ist. Später erfahren wir, dass Louisiana und Alabama noch immer die ärmsten Staaten Amerikas sind.

Über kleine Städte wie Bunkie und New Roads erreichen wir kurz vor Sonnenuntergang Port Allen, einen Vorort von Baton Rouge. Der einzige Campingplatz der Gegend ist leider belegt  Man rät uns davon ab, wild zu zelten. Es gäbe in den vielen Gräben am Mississippi Krokodile und Schlangen.

So nehmen wir uns wieder ein Motelzimmer und haben Glück, dass es auf der anderen Straßenseite einen Truckstop mit guter Küche gibt. Ich esse Hähnchen nach Südstaatenart. Scharf gewürzt und paniert, wird es in Fett gebacken. Dazu gibt es Mais und Kartoffelbrei. Das Bier kostet nur einen Dollar pro Flasche. So halten wir es eine Weile aus und beobachten die Trucker, die hier an der Theke sitzen und den Abend ausklingen lassen.

28.03.2003

Ich werde durch ein Lied geweckt, ärgere mich, muss dann aber feststellen, dass der Sänger wirklich gut ist. Vor unserem Hotelzimmer wäscht ein junger schwarzer Mann sein Auto. Offensichtlich ist er verliebt und trällert eine Schnulze.

So trete ich vor die Tür, applaudiere und bekomme noch eine kleine Zugabe, bevor ich zur Rezeption gehe, um das Frühstück zu besorgen. Hier ist heute ein kleines Buffet aufgebaut,

ich bediene mich mit Obst, nehme Cornflakes und Kaffee.

Klaus hat mit seiner BMW um 11 Uhr einen Termin für eine Inspektion. So machen wir uns dann rechtzeitig auf den Weg nach Baton Rouge und finden dank des Navigationssystems auch sofort die Werkstatt. Die BMW ist jetzt ca. 10.000 km gelaufen, muss gewartet werden. Außerdem hat Klaus telefonisch die neuen Teile für seinen Koffer bestellt, der hier repariert wird.

Wir überbrücken die Wartezeit mit einem Besuch in einem nahegelegenen Restaurant. Die Spezialität des Hauses sind Hamburger und wir staunen nicht schlecht über den großen Andrang. Tatsächlich sind wir dann angenehm überrascht. Qualität und Menge des Essens sind vorzüglich. Wir sind beide keine schlechten Esser, schaffen aber unsere Portionen  nicht.

Bis 16 Uhr müssen wir warten, ehe die GS fertig ist und fahren dann in Richtung SüdeWildrich Weltreise Louisianan.

Hier, im Delta des Mississippi, sehen wir viele der sogenannten "Bayous". Das sind Entwässerungskanäle, die das Land durchziehen. Sie bieten die Lebensgrundlage für viele Wasservögel. Große Weiden und Eichen lassen ihre Äste über die engen Straßen hängen.  Wir fahren mit einer Fähre über den Mississippi. Der Fährmann spricht uns auf französisch an,  wir sind überrascht. Er sagt, es gaebe in manchen abgelegenen Gegenden des Deltas noch alte Menschen, deren Muttersprache französisch sei, die englisch weder verstehen noch sprechen.

Hinter dem großen Damm des Mississippi fahren wir durch eine Wohngegend, die anscheinend ausschließlich von Afro-Amerikanern bewohnt wird. Man winkt uns zu und die kleinen Kinder freuen sich, als ich hupend antworte.

Durch die Bayous führen kleine Schotterstraßen, die für unsere Motorräder wie geschaffen sind. Das Gelände ringsum ist sumpfig. Als die Sonne hinterm Horizont untergeht, schwirren Scharen von Mücken um uns herum

In Thibodaux nehmen wir aus lauter Angst vor Krokodilen wieder ein Hotelzimmer. Der Besitzer des "Bayou Motels" schlägt vor, dass wir ganz in der Nähe "Bubba's Restaurant" aufsuchen.Wildrich Weltreise

Zu Fuß laufen  wir ein Weilchen und finden das Restaurant gegenüber einer Brücke, unter der tatsächlich Krokodile auszumachen sind. Bubba's ist eine Sportkneipe, wie man sie oft in Amerika sieht. Große Fernseher übertragen auf mehreren Kanälen gleichzeitig Basketball- und Eishockeyspiele. Bier fließt in Strömen und aus der Küche duftet es nach "Gumbo.“ Ein typischer Südstaaten-Fisch-Eintopf. Scharf gewürzt, passt er prima zum kalten Bier. Klaus ist fasziniert von den vielen Baseballkappen, die als Dekoration unter der Decke hängen. Unsere Kellnerin ist aufmerksam und sehr geschäftstüchtig. Sie bringt selbstständig neues Bier, wenn sich unsere Gläser leeren!

Es fällt mir auf, dass nur Weisse in Bubba's sind. Draußen auf der Straße war die Bevölkerung gemischt, aber in dieser Kneipe nicht. Ist es vielleicht nur Zufall?

Später liegen wir in unseren Betten, telefonieren mit der Heimat und verfolgen im Fernsehen das Kriegsgeschehen im Irak. Soweit wir das sehen können, stirbt niemand. Tote sieht man im US-Fernsehen keine. Dafür zeigen die Sender  Soldaten, die beschwören, dass sie nächste Woche wieder zu Hause sein werden  und ihre Mutter lieben.

29.03.2003

“The Big Easy”, wie New Orleans auch genannt wird, ruft nach uns. Wir wollen heute in diese Stadt fahren,  die Bourbon Street und den Mississippi sehen.

Nur eine Stunde sind wir unterwegs, aber es regnet und stürmt. Klitschnass schaffen wir es schließlich ins Stadtzentrum. Aus meinem Reiseführer habe ich die Telefonnummer einer Jugendherberge und diese suchen wir nun per Navigationssystem. Wieder  muss ich sagen, dass dieses System sich bewährt hat. Speziell beim Suchen in fremden Großstädten wären wir sonst oft verloren gewesen. Dank GPS ist es ein Leichtes, die Ziele zu finden.

Das "India House“ ist eine private Jugendherberge, die in einem alten Herrenhaus untergebracht ist. Es gibt Schlafsäle, aber auch kleine Hütten im Garten. Für letztere entscheiden wir uns und zahlen für eine sehr einfach ausgestattete Unterkunft 35 Dollar. Dabei sind wir noch gut gefahren - New Orleans ist eine sehr teure Stadt, die in erster Linie vom Tourismus lebt. Heute werden wir also in der "Voodoo Hütte" übernachten.

Gleich nach der Ankunft kommt eine Dame auf Klaus zu und spricht ihn an. Es sind die klassischen Fragen: woher und wohin - und: ob wir vielleicht Ted Simon kennen?

Natürlich haben wir von ihm gehört.  I c h habe sein Buch "Jupiters Fahrt" bestimmt ein dutzend Mal gelesen! Er beschreibt darin eine Motorrad-Weltreise, die er von 1973 bis 1975 auf einer Triumph gemacht hat.

Dieser Ted Simon ist ein Freund jener Frau, die wir in der Jugendherberge treffen. So fühle ich mich sofort sehr wohl und in bester Gesellschaft.

Im Gartenhaus gibt es eine Waschmaschine, es ist wieder an der Zeit, Wäsche zu waschen, wollen wir doch heute Abend in der Stadt einen guten Eindruck machen.Wildrich Weltreise Jugendherberge in New Orleans

Nachdem wir uns eingerichtet haben, spazieren wir ins Stadtzentrum. Sofort finden wir die Hauptattraktion New Orleans, die Bourbon Street. Schon zu dieser frühen Stunde sind viele Touristen unterwegs. Die Stadt ist in Amerika bekannt für ihre Musikkneipen und den freizügigen Umgang mit Alkohol. Hier darf man sogar auf offener Straße Bier trinken - und das ist in Amerika Grund genug, jeden Abend zu feiern, was das Zeug hält.

Es gibt Sex-Shops und hunderte von Kneipen in dieser Fußgängerzone. Reichlich Polizei ist unterwegs und versucht, Ordnung in das Treiben zu bringen. In diesen Tagen ist besonders viel los, denn es sind immer noch Frühlingsferien. Zahllose Schüler und Studenten treffen sich hier, um zu fWildrich Weltreise unsere Hütte in der Jugendherbergeeiern.

Auch abends gehen wir noch einmal in die Stadt. Es tobt der Bär! Menschenmengen, wie ich sie sonst nur von deutschen Weihnachtsmärkten kenne, schieben sich durch die Strassen. Von Balkonen rechts und links der Straße werfen betrunkene Jugendliche Plastikschmuck und Bierbecher auf die Passanten unter ihnen. Die unterschiedlichsten Musikrichtungen werden "live" geboten, aber es sind torkelnde Teenager, die das Bild prägen. Die Getränke sind teuer.  Wir haben das Gefühl, dass das ohnehin schon wässrige Bier noch zusätzlich gestreckt wird.Wildrich Weltreise Bourbon Street New Orleans

Wieder fallen wir durch unsere Klamotten auf. Heute scheinen sie allerdings sogar zu helfen, uns Respekt zu verschaffen. Die vielen betrunkenen Männer machen einen großen Bogen um uns. Vielleicht liegt es aber auch an den Motorradhandschuhen, die wir auf Grund des kalten Wetters tragen........

Wir entscheiden uns für ein irisches Restaurant; das Essen ist mehr schlecht als recht. Bei einem Spaziergang durch das Hafenviertel sehen wir einige der dampfgetriebenen Raddampfer, für die Louisiana und der Mississippi so berühmt sind.

Die Hütten der Jugendherberge stehen sehr eng beieinander. Klaus schläft wieder einmal tief und fest, während ich unweigerlich Ohrenzeuge davon werde, wie ein junger Mann seine Freundin betrügt und damit auch noch prahlt.

30.03.2003

Heute Morgen kommt mein Bart ab! Mittlerweile ist er dicht und buschig und auch auf meinem vor einem Monat rasierten Kopf sprießen wieder Haare.

Was wir von New Orleans gesehen haben, reicht uns. Nicht, dass es uns nicht gefallen hätte, aber ein Highlight war es nicht. Durch eine schmuddelige Hafengegend verlassen wir die Stadt in östlicher Richtung und erreichen nach kurzer Fahrt die Grenze zu Mississippi.Wildrich Weltreise Florida

Heute werden wir immer entlang der Küste des Golfes von Mexiko fahren. Der weiße Sandstrand zu unserer Rechten ist mit Häusern auf Pfählen bebaut. Immer wieder wird diese Gegend von schlimmen Wirbelstürmen heimgesucht, unsere Straße ist eine Hauptfluchtroute. Dies entnehme ich der Beschilderung entlang des Highways. Zwischen den Städten Gulfport, Biloxi und Pascagoula stehen wunderschöne Villen hinter der Strandpromenade. Alte Bäume und gepflegte Gärten machen Eindruck. Ohne Frage, ist dies eine Gegend mit sehr wohlhabenden Bewohnern.

In Biloxi besuchen wir das "Waffle House", ein Restaurant, in dem man 24 Stunden lang preiswert frühstücken kann. Klaus ist begeistert, und ich muss sagen, das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt wirklich. Unsere Motorräder stellen wir in solchen Situationen immer in Sichtweite vor den Gaststätten ab. Meinen Helm und auch den Tankrucksack mit den Wertsachen nehme ich mit hineinWildrich Weltreise Florida, unser letzter gemeinsamer Tag.

Entlang der Küste ist der Staat Mississippi nur ungefähr 100 km breit. Ich werde in ein paar Tagen ohne Klaus nochmal zurückkehren,  heute jedoch geht es gleich weiter nach Alabama. Gleich hinter der Grenze fahren wir über die kleine Straße 193 auf die Insel Dauphin.

Mir fällt auf, wie grün die Landschaft in den letzten Tagen war. Zwischen Kalifornien und Ost-Texas war das Land stets beige, so, als bekäme das Gras nicht genug Wasser. Und tatsächlich sind wir ja  auch durch eine Halbwüste gefahren. Hier aber gibt es Grün im Überfluss, und ich kann mich gar nicht satt sehen. Der Kontrast zum herrlich blauen Himmel wird mir stets im Gedächtnis bleiben.

Von Dauphin Island wollen wir per Fähre weiter Richtung Gasque und Gulfshores, wo wir heute Nacht campen wollen. Zunächst müssen wir aber mit einer kleinen Fähre übersetzen. Wir warten in der Schlange Autos und werden von einem älteren Herrn angesprochen. Er sagt, seine Frau sei Deutsche, traue sich aber nicht, mit uns zu reden, da sie recht schüchtern sei. Schon lange habe sie nicht mehr deutsch gesprochen und  er bittet uns,  dies zu tun. Klaus spielt Gentleman, wenig später geselle auch ich mich dazu. Wir reden darüber, wie unsere neue Bekannte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika kam. Die jetzige Situation stimmt sie sehr traurig. Sie erinnert uns daran, dass auf amerikanischem Boden schon sehr lange kein Krieg mehr stattgefunden hat und dementsprechend die Menschen nicht wissen, welch' Unheil er mit sich bringt. Tieftraurig ist sie vor allem darüber, dass ihr Enkelsohn in der US-Army ist und damit rechnen muss, in nächster Zeit in den Irak geschickt zu werden.

Auch auf der Fähre werden wir wieder angesprochen. Diesmal bemerkt ein aus München stammender Amerikaner Klausis deutsches Nummernschild und will wissen, wie er denn das Motorrad nach Amerika gebracht hat. Wir haben ziemlichen Seegang und bleiben die gesamte Überfahrt bei unseren Maschinen, um sie festzuhalten.Wildrich Weltreise

Es ist unser letzter gemeinsamer Abend, bevor ich mich von Klaus trenne, um langsam wieder nach Kanada zu fahren. Der Gedanke, ohne ihn unterwegs zu sein, ist mir gar nicht recht und schon seit Tagen zweifele ich daran, ob es eine gute Entscheidung ist.

Klaus möchte weiter nach Süden, um an das äußerste Ende der USA, den Florida Keys, zu gelangen. Ich aber war schon oft in Florida und glaube, alle grossen Attraktionen gesehen zu haben. So will ich die Zeit lieber nutzen, um neue Staaten kennenzulernen.

Wir erreichen schließlich einen großen Campingplatz nahe der kleinen Urlaubsstadt Gulf Shores. Leider lässt die Parkwächterin nicht mit sich reden - wir müssen für zwei Plätze bezahlen. Zwar schlafen wir in getrennten Zelten, aber bislang hat man uns immer nur Geld für einen Platz abgenommen.

Ein letztes Mal bauen wir gemeinsam die Zelte auf, essen Chili, betrachten wieder den klaren Sternenhimmel und ein letztes Mal auf dieser Reise singt Chet Atkins für mich das Lied von El Paso.

31.03.2003

Nachts war es kalt, wie ich an dem Raureif an meinem Zelt sehen kann. Ganz in der Nähe gibt es ein Duschhaus. Das heiße Wasser hilft, den Tag komfortabel zu beginnen.

Langsam bauen wir die Zelte ab. Danach sortieren wir unsere Ausrüstung. Klaus borgt mir den Trangia-Kocher und Fotozubehör. Ich werde alles auf meiner weiteren Etappe nutzen.

Wir zögern den Abschied hinaus, indem wir noch gemeinsam einen Vortrag zum Thema Naturkatastrophen besuchen. Das Besucherzentrum des Campingplatzes ist gut ausgestattet. Jeden Morgen gibt es Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen.

Wieder auf dem Parkplatz, klebt eine Visitenkarte an meinem Motorrad. "C. Miller Platz 24" steht darauf, und ich frage Klaus, ob er Lust hat, mit mir herauszufinden, was es damit auf sich hat.

Wir finden den Platz schnell, denn Charlie ("C") kommt uns winkend entgegen. Er ist mit seiner Frau aus Michigan gekommen, Rentner und verbringt jedes Jahr ein paar Wochen auf diesen Platz. Zuhause liegt der Schnee,  die beiden genießen hier die Sonne und den Strand.

Charlie berichtet, er sei Vorsitzender eines Honda-Motorrad-Klubs und als er unsere beiden Maschinen gesehen hat, hat er sich gefragt, wer wir wohl siWildrich Weltreisend. So berichten wir ein letztes Mal gemeinsam jemanden vom unserer Fahrt.

10.000 km haben Klaus und ich als gemeinsamen Trip erlebt. Ein letztes Mal sehe ich ihn in meinem Rückspiegel. Ein Bild, das ich in den letzten Wochen ständig vor Augen hatte. Ich hatte mich an die Sicherheit gewöhnt, mit einem Freund zusammen zu fahren. Hinter der Grenze zu Florida werden sich unsere Wege trennen.

An der Gabel von Highway 98 und 331 umarmen wir uns. Ich glaube, dieser Abschied fällt uns beiden sehr schwer, haben wir doch so Vieles gemeinsam erlebt. Die Abende am Lagerfeuer in der Natur werden mir in guter Erinnerung bleiben!

Wir beschließen, uns in Deutschland bald wieder zu treffen. Dann gibt er Gas und schon nach wenigen Sekunden ist er im Verkehr nicht mehr zu sehen.

Ich bleibe noch ein paar Minuten auf dem Parkplatz und mache mir Gedanken darüber, wo ich wohl heute hin will. Der Highway 331 führt direkt nach Norden und damit nach Alabama. Ein längst verstorbener Onkel von mir war dort während des Zweiten Weltkriegs in Gefangenschaft. Oft hat er von seinen Erlebnissen als Kriegsgefangener auf einem Bauernhof erzählt. Wenn ich gleich los fahre, kann ich die Grenze noch vor Einbruch der Nacht erreichen.Wildrich Weltreise wir warten auf die Fähre

Es wird merklich kühler, als ich die Golfküste verlasse und in das hügelige Land Richtung Norden fahre. Es sind angenehm wenige Fahrzeuge unterwegs. Abseits der Orte an der Küste lassen Verkehr und Tourismus stark nach. Im Sonnenuntergang fahre ich schnell über den gut ausgebauten Highway durch kleine Südstaaten-Dörfer mit ihren hübschen Häusern und Vorgärten. In der Abendstimmung spielen Kinder unter Bäumen und Rehe grasen in den Wiesen.

Im Grenzort Paxton gibt es weder einen Zeltplatz noch ein Motel. So fahre ich weiter nach Norden, in die Nacht hinein. Die Gegend, die ich heute durchfahre, zählt zu den schönsten, die ich in Amerika gesehen habe, so ganz anders, als ich mir den Süden vorgestellt hatte!

Ich will so schnell wie möglich ins Bett, um tagsüber durch dieses Land zu fahren. Es gefällt mir so gut, dass ich Angst habe, im Dunkeln etwas zu verpassen. In dem kleinen Örtchen Opp habe ich schließlich Glück. Wieder habe ich indische Gastgeber. Diesmal wohne in einem sauberen Zimmer.

Ob Klaus heute Abend auch so ein Glück hat? Ich nehme meine letzte Dose Bier und stoße in Gedanken mit ihm an.

Ab jetzt wird es wieder meine eigene Weltreise sein!

 

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