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Irgendwann, spät in der Nacht, hatten meine Untermieter dann doch genug vom Feiern. So habe ich noch ein paar Stunden Schlaf bekommen.
Alles ist ruhig, wir nähern uns am frühen Morgen Triest. Dummerweise hatte ich meinen Wecker gestellt, der eben hektisch piepste. Ich mußte ihn erst einmal suchen, um ihn auszustellen und jetzt, als ich das hinter mir habe bin ich hellwach. Also raus aus den Federn und an die frische Luft.
Vorsichtig tapse ich um die anderen Schlafsäcke, um niemanden zu wecken. Auch Tom und seine Freunde sind darunter. Laut schnarchend umklammert er eine Bierdose. Es müssen Hunderte sein, die auf diese Weise übernachten. Und ich kann auch gut verstehen, wieso sie das machen. Eine Kabine kostet gleich ein paar hundert Euro, da nimmt man doch dann lieber ausgelassene Teenager in kauf.
Wir sind jetzt seit 20 Stunden unterwegs, und ich glaube nicht, daß in der Zwischenzeit die Toiletten mal gereinigt wurden. Sie sind in einem erbärmlichen Zustand, der Fußboden schwimmt und schwappt bei der kleinsten Welle von rechts nach links. Nur gut, daß ich Stiefel trage, und keine Sandalen.Auch das Personal an Bord ist nicht gerade freundlich. Das mag an der langen Saison liegen und auch daran, daß der Reeder zu wenig Arbeitskräfte bereit hält, ist aber nicht mein Problem.
Draußen will ich jetzt den Sonnenaufgang live erleben. Ich kann kaum die Tür zum Deck aufstoßen, so stürmisch ist es. Aber wenigstens regnet es nicht mehr. Mit vom Wind tränenden Augen beobachte ich, wie wir bei Sonnenaufgang in Triest einlaufen. In ein paar Stunden werde ich in Bibione Pineda am Strand liegen.
Zuerst muß ich aber mal von Bord. Und das ist gar nicht so einfach. Erst eine Stunde, nachdem wir angelegt haben, sitze ich in meinem Wagen. Der italienische Zoll hat nur zwei Beamte abgestellt, und noch vor dem ich zu meinem Wagen darf, muß ich meinen Paß zeigen. Da ein Teil der Passagiere ihre Papiere in den Fahrzeugen gelassen hat, kommt es immer wieder zu Verzögerungen. Auch die herrenlosen Autos im Laderaum sind ein Problem. Da haben einige verschlafen. Nach weiteren 30 Minuten bin ich dann von Bord.
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Nun fahre ich auf einer sehr gut ausgebauten Autostrada in Richtung Bibione Pineda, wo ich den Tag verbringen will.
Rechts und links entlang der Straße ist es sehr grün, und es wird Wein angebaut.
Im letzten Augenblick sehe ich den Reiterhof. Ich bin überrascht, daß ich ihn wiedererkenne. Immerhin ist es 25 Jahre her, daß ich hier war. Bibione Pineda ist ein Ferienort, mit dem ich viele schöne Kindheitserinnerungen verbinde. Hier habe ich mit meiner Schwester und den Eltern oft den Sommer verbracht
Kurz vor Bibione biege ich an einem Kreisverkehr rechts nach Bibione Pineda ab. Die unebene Straße führt durch einen Pinienwald, dessen trockener Duft mir vertraut vorkommt.
Unser Haus, das Hotel Horizonte finde ich sofort. Alles ist erstklassig ausgeschildert. Es herrscht Abreisestimmung. Mehrer deutsche Gäste verabschieden sich untereinander und vom Personal, als ich die Rezeption betrete. Es scheint sich um Stammgäste zu handeln, sie umarmen die Besitzerin. Diese erkenne ich sofort. Nicht weil ich mich erinnern kann, sondern weil sie eine imposante Erscheinung ist. Nicht besonders groß, trägt sie ein schwarzes Kleid und langes weißes Haar. Sie hat blasse Haut und blaue Augen, die lächeln können. |
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Ja, natürlich hat sie ein Zimmer für mich, kein Problem. 37€ will sie für die Nacht. Ob das in Ordnung sei? Die Benutzung der Strandstühle, Frühstück und der Parkplatz sind inklusive. Wie lange ich denn bleiben möchte, will sie wissen. Ich erzähle ihr, daß ich nur eine Nacht Zeit habe und wieso ich eigentlich hier bin. Nämlich, daß ich vor 25-30 Jahren mit meinen Eltern hier öfter in den Ferien war. Sie freut sich, das zu hören. Viele Gäste kommen schon in der dritten oder vierten Generation, sagt sie. Schnell verstehe ich, warum.
Es herrscht eine sehr familiäre, unaufdringliche Atmosphäre, die heute so selten ist. Anonymität gibt es hier nicht. Das Personal kennt einen schon nach ein paar Minuten, spricht mich mit meinem Namen an! Nach dem einchecken darf ich noch frühstücken. Es gibt einen erwähnenswert guten Kaffee. |
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Obwohl ich mich sofort wie zu Hause fühle, merke ich doch die Veränderungen. Erst im Mai wurde das Hotel komplett renoviert. Wäre ich also ein paar Monate früher gekommen, hätte ich noch in den Betten schlafen können, die ich schon als Kind kennengelernt hatte.
Nur der angenehm kalte Marmorfußboden ist noch da. Sonst erinnert nichts mehr an die alte Zeit.
Es wurde sehr geschmackvoll renoviert und eingerichtet. Ohne Frage hat die Chefin das alles selber ausgesucht, da bin ich sicher.
Moderne Sofas im kleinen Aufenthaltsraum laden zum verweilen ein. In meinem neu eingerichteten Zimmer (Nummer 13), gibt es eine dunkelblaue Tagesdecke auf meinem Doppelbett. Sie passt vom Design zu den Handtüchern. Auch die Badezimmer wurden ein wenig überholt. Es gibt eine Dusche ohne Vorhang, ein Bidet und einen Notrufknopf!
Einen kleinen Balkon habe ich auch. Von diesem sehe ich auf die angrenzende Bungalowanlage, in der wir auch mal gewohnt haben. Die Nadelbäume rings um das Hotel sind sehr gewachsen, spenden Schatten und beherbergen Spatzen. |
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Schnell in die Badehose und ab an den Strand. Ich bin schon fast aus dem Haus, da ruft man mir hinterher, ich solle noch einmal zurück kommen. Ich kriege eine Strandkarte auf die Hand, die mich zum kostenlosen Aufenthalt im Liegestuhl Nummer 10 mit Sonnenschirm berechtigt! Alles hat hier seine Ordnung.
Ich bin überrascht, wie kurz der Weg zum Strand ist. Ich meinte mich zu erinnern, daß man etwa 15 Minuten geht, aber nach zwei bis drei komme ich schon an.
Kaum habe ich meinen Platz gefunden, und bin eingenickt, höre ich einen vertrauten Ruf „Coco bello, Coco bello!“. Der Kokusnußverkäufer sprintet zwischen den Liegen her und preist seine Ware an. Für 1,75€ bin ich dabei. Braungebrannt ist er, und hat ein strahlendes Lächeln. Vielleicht 25 Jahre alt mag er sein. Ob es ein Sohn des ursprünglichen Verkäufers, aus meiner Kindheit, ist?
Wieder munter, betrachte ich das Geschehen. Es gibt fast nur Familien hier. Singles sehe ich außer mir keine. Ein leichter Wind weht und trägt den Duft von Sonnencreme zu mir. Kleinkinder schleifen Luftmatratzen über den Strand. Größere spielen mit Einer und Schaufel, die ältesten tollen im Wasser herum. Manche mit, manche ohne Schwimmflügel.
Es gibt einen Tretbootverleih, viele Kinderwagen mit den passenden Müttern und einen eifrigen Bademeister, der versucht, Ordnung in das Geschehen zu bringen. Aufgeregt trillert seine Pfeife. Alles schaut einen Augenblick auf. Speziell die Mütter gucken sofort in Richtung ihrer Sprösslinge. Die Väter hingegen lesen schnell weiter Seite eins der Bildzeitung.
Auch Sandburgen gibt es noch. Allerdings ohne Dämme und Flüsschen. Ich spiele ein paar Sekunden mit dem Gedanken, dies zu ändern, lasse dann aber doch davon ab.
Ich habe Glück, daß die Saison schon fast vorbei ist. Ich schätze das nur etwa die Hälfte der Liegestühle belegt sind.
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Man sagt, daß man sich an Gerüche noch nach langer Zeit erinnern kann. Das stimmt! Nach meinem sehr erfrischendem Bad habe ich geduscht, und der Duft des Wassers (anders kann ich es nicht beschreiben) hat früheste Kindheitserinnerungen hervorgerufen.
Alles ist sehr sauber. Ich suche förmlich nach einer Zigarettenkippe im Sand, finde aber nichts. Auch die sanitären Einrichtungen sind in einem tadellosen Zustand und erneuert. Wenngleich es auch immer noch die ortsüblichen Stehtoiletten gibt.
In einer der beiden Strandbars esse ich ein Eis und trinke ein Kaffee.
Im Wasser kreuzt ein Piratenschiff. Gab es das vor 30 Jahren auch schon? Auch den Fahrradverleih scheint es immer noch zu geben. Zwei Tandems habe ich schon gesehen.
Als ich später durch den Ort laufe, komme ich an einem Fotogeschäft vorbei. In der Auslage sehe ich Ansichtskarten, und ich suche einige aus. Mit der Verkäuferin komme ich ins Gespräch. Ich spreche Sie auf ihren Akzent an, und tatsächlich, sie ist Engländerin. Seit über 20 Jahren wohnt sie nun schon in Italien. Ist mit einem Einheimischen verheiratet und freut sich darüber, gerade einen SMART gekauft zu haben.
Ich berichte ihr von meinen guten Erfahrungen mit meinem Auto, und wie ich so vom Hundertsten ins Tausenste komme, entlockt sie mir auch einen kleinen Reisebericht. Daß ich für nur einen Tag nach Bibione komme, kann sie kaum glauben.
Zum ersten Mal in meinem Leben wasche ich Wäsche in einem Münzwaschsalon. Ich bin positiv überrascht. Nicht nur hat der Waschgang nur knappe 25 Minuten gedauert, die Wäsche ist auch strahlend sauber. Das hat seinen Preis: 5,50€¥ zahle ich pro Trommel.
Auf der Suche nach einem Internetcafe treffe ich zwei Polizisten, die mir helfen wollen. Flugs nehmen sie mich mit und laden mich vor einem solchen im Hauptort Bibione wieder aus.
Hier gefällt es mir nicht so gut wie in Pineda. Alles ist größer, schrill und bunt. Ich glaube, ich weiß jetzt, wieso ich mich in Städten nicht so wohl fühle. Ich habe das in meiner Kindheit nicht kennengelernt, wenn ich von den Gelegentlichen Besuchen bei meiner Berliner Verwandtschaft mal absehe. In meinen Kindheitserinnerungen kommen Städte nicht vor.
Nach dem Sonnenuntergang mache ich mich wieder auf den Weg ins Dorf. In einem kleinen Supermarkt kaufe ich Proviant für den morgigen Tag. Ziemlich zentral gibt es eine Pizzeria, die von einer Menschentraube umringt wird. Schnell erkenne ich, wieso. Die Preise sind unschlagbar günstig, und man kann sich eine Familienpizza (Wagenradgröße) für etwa 10€ mit ins Appartement oder das Hotel nehmen. Erstens hilft daß die Urlaubskasse zu schonen, und Pizza mögen alle.
Auf der Terrasse des Restaurants Acapulco sitzend, studiere ich meine Straßenkarten. Ich beschließe, nicht den kürzesten Weg nach Deutschland zu nehmen, sondern die Alpen über Slowenien, Kroatien, Ungarn und die Slowakei zu umfahren. Ich bin gespannt, was mich dort erwartet.
Ein freundlicher Kellner kroatischer Herkunft bemerkt meine Balkankarte. Er selber sei Kroate, ob ich sein Land kenne? Ich verneine, erkläre aber, daß ich morgen einen Zipfel seiner Heimat streifen werde.
Wenig später bringt er mein Bier und das Essen. Es gibt Ruccola, Gnochi in Lachssoße und ein gemischtes Eis. An den Nachbartischen sehe ich fast nur Familien. Ein Vater schneidet seiner Tochter das Fleisch in kleine Stücke.
Es wimmelt nur so von Kindern. Kein Wunder, Bibione ist ideal für dieses Klientel. Von Deutschland kommend ist dies der erste Ort an der Adria. Außerdem stimmt das Preis-Leistungsverhältnis, das Klima sowie die Infrastruktur.
Schon um 20.30 Uhr mache ich mich wieder auf den Weg zurück zum Hotel und meinem Balkon. Wie alles in diesem Hotel, so ist auch der Balkon sehr klein. Es passen gerade zwei Stühle und ein Tisch darauf. Allerdings hat man dann selber keinen Platz mehr. So hat man die Wahl. Entweder Tisch oder Mensch.
Während ich mir noch ein Bier genehmige, denke ich über meine Familie, diesen Ort und was ich mit ihm verbinde, nach. Es sind die glücklichsten Kindheitserinnerungen die ich habe.
Ich erinnere mich an Paul, den Kannadier, den ich in Polen traf, und unser Gespräch über den Wert des Reisens für Kinder. Wie schön, daß meine Eltern, meiner Schwester und mir, damals so etwas gegönnt haben. Erst heute erkenne ich den Wert. |
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