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 Ein Bösewicht in Sofia
Bulgarien  Kurz nach dem ich dieses Foto gemacht habe, mußte ich die Flucht ergreifen, da die dazugehörigen Hunde mich attackierten.

Schon um 05.00 Uhr Morgens klingelt der Wecker. Ich kann es gar nicht richtig fassen, spüre noch den Rotwein von gestern Abend. Ich stehe dann aber doch auf und mache mich auf den Weg in den noch dunklen Morgen. Heute will ich nach Sofia.

Mein Bus ist nicht ganz pünktlich. Wie ich so auf ihn warte und meinem Atem hinterherschaue, kläfft mich ein kleiner Hund von der anderen Straßenseite an. Er läßt sich nicht beruhigen. Weder gute Worte noch ein lockender Müsliriegel aus meinem Rucksack helfen. Schließlich wird er heiser, macht aber trotzdem weiter. Sicherlich geht es ihm ums Prinzip.

Nach 2 ½ Stunden Fahrt komme ich am  Sofioter Busbahnhof an. Die Fahrt war überraschend angenehm. Für ein paar Euro bekomme ich einen Liegesessel, und es gibt sogar eine Stewardess an Bord, die die Fahrgäste mit Getränken zu erschwinglichen Preisen versorgt. Nach etwa einer Stunde machen wir Pause an einer Raststation, an der  ich mich mit Proviant eindecken konnte.

Bulgarien Bansko die Versorgungslage ist im ganzen Land gut. Das war nicht immer so. Auch sind Lebensmittel für hiesige Verhältnisse sehr teuer.

Der Busbahnhof liegt ein wenig außerhalb, und so beschließe ich, ein Taxi ins Stadtzentrum zu nehmen. Das ist ein Fehler!

Mit schnellem Tempo geht es los. Die 12 Minuten Fahrt soll 40 Lev (20€) kosten. Ganz offensichtlich will man mich übers Ohr hauen. Auch nach längerer Diskussion besteht mein Fahrer auf das Geld, wird jetzt gar unfreundlich, schimpft. Da ich mir nicht mehr ganz sicher bin, ob es nicht doch stimmen könnte (vielleicht ist es ein Hauptstadtpreis?), und auch, weil ich mir nicht den letzten Nerv rauben lassen will, gebe ich nach und zahle. Ich bekomme eine Quittung aus dem Taxameter (natürlich nicht zu entziffern, da in kyrillischer Schrift) und notiere mir auf dieser das Kennzeichen des Wagens.

Ich steige direkt im Zentrum der Stadt an der Alexander Newski Kathedrale aus, das Taxi saust mit quietschenden Reifen davon. Ich hätte es wissen sollen. Meinem Grundsatz, ältere Fahrer zu nehmen, wurde ich untreu und wurde sogleich bestraft. Auch seitens eines Bulgarien erfahrenen Bekannten wurde ich schon vor den hiesigen Taxifahrern gewarnt.

Als ich so durch die Straßen der Innenstadt spaziere, merke ich, daß ich mich nicht von dem Gedanken an den Taxiganoven befreien kann. Ich bin nun schon ein paar Kilometer gelaufen, kann mich aber nicht mehr daran erinnern, was ich in den letzten Minuten gesehen habe. So sehr ärgert mich der Vorfall.

Was also tun?

Auch um diese frühe Stunde haben die Cafes der Stadt schon geöffnet. In einem solchen sitze ich nun und plane, wie ich den Tag gestalten werde. Ich blättere durch meinen Reiseführer und suche nach einer interessanten Sehenswürdigkeit. Was wollte ich eigentlich in Sofia? Wieso bin ich um 05.00 Uhr aufgestanden? Ich weiß es nicht mehr.

Ich hebe meinen Kopf, mein Blick geht aus dem Fenster auf die Straße. Dort steigt eine Frau mit Einkaufstüten bepackt  aus einem Taxi. Dann plötzlich kommt mir die Erleuchtung!

Heute ist der Tag der Gerechtigkeit! Der Sache mit meinem Taxifahrer gehe ich auf den Grund!

Ich habe Glück. Die Kellnerin bringt mir einen zweiten Kaffee, und ich komme mit ihr ins Gespräch. In einem Mischmasch aus Englisch, Deutsch und Handzeichen erkläre ich den Vorfall.

Als sie verstanden hat und auch die Quittung begutachteten kann, ist sie entsetzt. „Nein, das kann auf gar keinen Fall richtig sein! 40 Lev für eine solch kurze Strecke... 4 wären schon zu viel gewesen!“. Sie will sich nur schnell eine Jacke überziehen, dann bringt sie mich zur Polizei, die ganz in der Nähe eine kleine Station hat. Wie schön, ich habe also eine erste Verbündete...

Am Empfang der Station weiß man erst nicht so recht, was man mit mir machen soll. Niemand hier spricht Englisch. Wenig später nimmt sich dann eine freundliche junge Polizistin  meines Falles an. Sie ist sehr eifrig, telfoniert mit Kollegen, und ich kann sie gerade noch davon abhalten, die deutsche Botschaft zu informieren. Sie dachte doch allen Ernstes, ich wolle Strafantrag stellen.

Nichts liegt mir ferner als das. Ich will doch einfach nur mein Geld wiederhaben, vielleicht kann man dem Fahrer auf die Finger klopfen, aber ein Gerichtsverfahren mit allem Tamtam erspare ich mir und ihm gerne... .

„Ja, wenn das so ist...“ wieder telefoniert sie. Diesmal von ihrem Privattelefon. Nach  ein paar Minuten legt sie auf und übersetzt. Ihr Vater sei jetzt auf dem Weg hierher. Auch er ist Taxifahrer und „zufällig“ Chef der Taxifahrergewerkschaft.

Etwa 20 Minuten später sitze ich nun mit dem kleinen schnauzbärtigen Boß der Fahrergewerkschaft in der Kaffeeteria des Taxikontrollzentrums von Sofia. Um uns herum Kollegen, denen ich wieder und wieder schildern muß was mir wiederfahren ist. Die Männer haben Temperament! Lauthals fluchen sie umher, der Name des Bösewichts und meine Taxiquittung machen die Runde. Man will sofort nach dem Fahrer suchen, und berät sich, wie vorgegangen werden soll.

Schon bin ich ein wenig besorgt, daß der Fall in Lynchjustiz ausarten könne, als der Gewerkschaftsboß mit beruhigenden Worten und ausgebreiteten Händen schlichtet, und vorschlägt den Vorstand der Gewerkschaft anzurufen.

Wenig später sitzen wir in dessen Büro. Ich erfahre hier, daß es Unstimmigkeiten gibt. Die Quittung die ich erhalten habe, trägt das richtige Datum und auch die Uhrzeit, aber definitiv die falsche Strecke und auch das Kennzeichen stimmt nicht mit dem Beleg überein. Sehr dubios!

All das interessiert den Offiziellen sehr, denn das stinkt nach Betrug. Dieser Sache werden sie auf den Grund gehen, da könne ich mir sicher sein. Immerhin sei es oberstes Prinzip der Gewerkschaft, daß man sich an die Regeln hält. „Wo kommen wir denn hin, wenn jeder macht was er will?“

Es wird ein Protokoll geschrieben, und Formulare in kyrillischer Schrift gehen herum. Wieder muß ich daran denken, wie es wohl den Analphabeten geht. Ich sehe die Zeichen, kann sie aber nicht deuten. Man verläuft sich in der Stadt, kann keine Straßenschilder oder Karten entziffern. Manches errate ich noch. Die Apotheke oder das Cafe, aber schon das Schild der Polizeistation erkenne ich nicht. Von der Schrift in den zu unterschreibenden Formularen ganz zu schweigen.

So bin ich auf Hilfe angewiesen. Die Sachbearbeiter sind sehr freundlich und übersetzen.

Nach mehreren Stunden und weiteren Kaffees gehe ich mit einem guten Gefühl hinaus an die frische Luft, auf den Taxistandplatz. Das Geld habe ich zwar noch nicht zurück, aber die Mühlen der Behörde drehen sich nun.

Das war also mein Tag in Sofia. Viel gesehen habe ich ja nicht gerade von der Stadt. Es hat einfach nicht sein sollen. Wie ich so in der Sonne stehe, denke ich nach. Kulinarisches hatte ich schon, Kultur und Kriminalfall auch, fehlt doch eigentlich nur noch eine Frau, und der Roman wäre komplett... .

 

Interessant ist diese Reise so in jedem Fall. Nun hatte ich auch mit den bulgarischen Behörden zu tun, von denen mir nur schlechtes berichtet wurde. Nach meinen Erfahrungen ist das nicht nachzuvollziehen.

Anmerkung:

Etwa zwei Monate später kehre ich wieder nach Sofia zurück. Ich will der Stadt und mir doch noch eine Chance geben.

Nachmittags gehe ich auch wieder zum Sofioter Busbahnhof. Tatsächlich sehe ich den Übeltäter auch, stelle ihn aber nicht zur Rede. Was würde das auch schon bringen? Was dann folgt entschädigt mich sowieso völlig für den Vorfall.

Ich nehme ein anderes Taxi. Der Fahrer arbeitet nur halbtags, studiert eigentlich Englisch. Er freut sich darüber, sich mit mir unterhalten zu können. Ich erfahre einiges über sein Leben, und berichte meinerseits von meiner Reise. Auch schildere ich eben dieses  Erlebnis vor ein paar Monaten, und er hört aufmerksam zu. Als wir nach einiger Zeit mein Ziel erreichen, weigert er sich Geld von mir zu nehmen! „Nein, das sei dann schon in Ordnung so. Ich solle doch erfahren das es auch aufrichtige Bulgaren gäbe! Das sei für ihn eine Sache der Ehre!“ Ich bin sprachlos.

 

Bulgarien Bansko Hier in den Bergen, wird es schon langsam Herbst.
Bulgarien Bansko Wie in allesn Bergdörfern sitzen die alten vor den Häusern, und gehen einer Beschäftigung nach.  Dort haben sie alles im Blick, und sind "im Bilde". Sie verstecken sich nicht, sondern gehören dazu

Es ist 14.00 Uhr, höchste Zeit wieder zurück zum Busbahnhof zu kommen. Von der dann folgenden Fahrt bekomme ich nicht viel mit, der Bus schaukelt leicht, und ich schlafe schnell tief und fest in meinem Sessel ein.

Bulgarien Bansko In diesen Tagen liegt vor fast jedem Haus ein Holzhaufen, für den Winter.
Bulgarien Bansko Wie viel Holz braucht man für einen Winter?
Bulgarien Kühe werden einfach am Straßenrand festgebunden. Gras und Kräuter gibt es zu hauf.

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