Bansko hat ohne Frage etwas alpines. Es ist ein bekannter bulgarischer Wintersportort. Man sagt, er sei schneesicher von November bis April. Ich sehe Liftanlagen und eine komplette touristische Infrastruktur, wie Eisenbahn und Bushaltestellen. Vom Souvenirladen bis zur Wechselstube ist alles vorhanden. Dennoch wirkt der Ort ursprünglich. Es gäbe ihn auch dann, wenn keine Touristen kommen würden, das ist sicher.
Durch offene Tore sehe ich in Handwerksbetriebe. Es gibt Schreiner und Schmied. Bauernhöfe liegen mitten im Ortskern. Ich freue mich auf die nächsten Tage, in denen ich die Stadt erkunden kann.
Das Panorama ist beeindruckend. Ich bin umgeben von hohen Bergen. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich gerne wandern. Dieses Land ist vielseitiger, als ich es mir vorgestellt hatte.
Vereinzelt trotten Kühe von der Weide alleine nach Hause. Sie stören sich nicht an den Menschen . Wenn ich auf der Straße stehenbleibe, machen sie einfach einen Bogen um mich. Sie sind viel weniger schreckhaft, als ich das aus Deutschland kenne.
Nach einem ausgedehnten Spaziergang habe ich den Bahnhof erreicht und dort in Erfahrung gebracht, daß die einfache Fahrt nach Sofia (180 km) sieben Stunden dauert. Ich werde also übermorgen auf den Bus ausweichen, der dieselbe Strecke in drei Stunden schaffen soll.
Wieder sitzte ich in einer Mehana, die im Hinterhof eines Privathauses untergebracht ist. Von diesen gibt es in Bansko über 100, und das bei nur 12.000 Einwohnern. Das Essen, das ich bekomme, ist eines der besten meines Lebens!
Ich bestelle luftgetrocknetes Rindfleisch, ähnlich dem bekannten Bündnerfleisch. Dazu einen vorzüglichen Salat aus dem eigenen Garten. Paprikaschoten gefüllt mit Schaftskäse aus eigener Produktion. Alles das, was ich in Deutschland auf dem Wochenmarkt suchen müsste. Ob ich es dann allerdings in dieser Qualität bekommen würde, wage ich zu bezweifeln.
Dazu paßt das Bulgarische Bier „Zagorka“.
Ich kann gar nicht fassen, welch' ein Glück ich habe. Wieso macht die ganze Welt Pauschalurlaub? Ich verzichte gerne auf das „All Inclusive“. Aber vielleicht ist es auch ganz gut so. Ich mag gar nicht daran denken, wie dieser Ort aussehen würde, wenn er überlaufen wäre wie Oberstdorf oder St. Anton.
In den umherliegenden Bauernhäusern steigt Rauch aus den Kamin. Der Duft des verbrennenden Holzes füllt das gesamte Dorf. Wenn die Sonne hinter den Bergen verschwindet, wird es schnell kalt.
Nach zwei Flaschen Bier auf nüchternen Magen bin ich mir nicht mehr ganz sicher was ich zu Essen bestellt habe. Der Kellner bringt ständig neue Köstlichkeiten, der Tisch füllt sich. Eben hatte ich eine Art Fleischrolle mit Gemüse gefüllt und paniert, sehr delikat.
Wie ich so da sitzte und speise, spielt eine Zigeunerband. Sie haben eine kleinen Jungen dabei, der vielleicht vier Jahre alt sein mag. Ich erinnere mich an eine Dokumentation, die ich vor Jahren mal gesehen habe. Es wurde geschildert, wie Zigeuner ihre Instrumente erlernen. Nämlich, daß sie als Kinder mit den Erwachsenen musizieren. So auch dieser Junge. Er hat eine Art Handtrommel, steht in der Mitte, beobachtet alle und schlägt im Rhythmus das Instrument.
Nachdem ich nun wirklich einen sehr schönen Abend verlebt habe und vom Bier leicht berauscht bin, mache ich mir Gedanken darüber, was ich alles noch nicht probiert habe. Bulgarien hat einige kulinarischen Highlights zu bieten, wie zum Beispiel den Schafskäse. Oder aber auch den hiesigen Joghurt, den ich jetzt bestelle.
Der frische Joghurt mit einem Löffel Honig ist der mächtigste, den ich je gegessen habe. Er hat die Konsistenz von saurer Sahne oder Frischkäse, und ich brauche wohl nicht zu erwähnen daß er köstlich ist. Er hat aber auch so gar nichts mit den fabrikproduzierten Milchprodukten gemein, die ich aus Deutschland kenne. Ich glaube, rein Kalorien mäßig könnte das heutige Abendessen eine ganze Armee ernähren.
Wie war das doch noch gleich, „...essen wie Gott in Frankreich!“. Ich frage mich, ob der ursprüngliche Autor schon einmal in Bulgarien war? In unserer globalisierten Welt, mit der bekannten Einheitsküche, in der die Burger auf jedem Kontinent gleich schmecken, sind Erlebnisse wie das heutige eine Offenbarung.
Was könnte ich wohl Bulgaren die nach Deutschland kommen, empfehlen oder vorsetzten? Es gibt ja fast nur noch Pizzerien und griechische Restaurants. Gut, in Bayern oder Baden sieht das noch anders aus und auch Berlin hat eine gute Currywurst, ich aber wohne in Nordrhein-Westfahlen, und außer dem Lippischen Pickert fällt mir auf die schnelle nichts ein.
So sitze ich also in diesem Restaurant, denke über diese und andere wichtige Fragen nach und esse meinen hausgemachten Joghurt. So, als wäre das ganz normal.
Mein Mahl ist für hiesige Verhältnisse außergewöhnlich teuer. Ich gebe inklusive eines sehr üppigen Trinkgelds für die Band 13€ aus.
Ziemlich betrunken torkle ich zurück zu meinem Hotel und falle ins Bett. |